Die Namenswahl fiel nicht zufällig auf „Fräulein Holunder“. Es soll eine Ehrung und Wertschätzung dieser so vielseitigen Heilpflanze sein, die in allen ihren Teilen wirkt und den Menschen seit Jahrtausenden zur Seite steht. Schon der griechische Arzt Hippokrates (460-377 v.Chr.) bezeichnete den Holunder als seinen Medizinschrank. In Mitteleuropa gab und gibt es auch heute noch kaum einen Bauernhof, bei dem nicht ein Holunderstrauch wächst, denn er ist des Bauerns Apotheke, in all seinen Teilen wirksam. Wer ihn umschneidet, muss um Verzeihung bitten.
Wo der Ursprung des Namens Holunder liegt, dazu gibt es mehrere Ideen. Mir gefällt der Gedanke, dass er von Holda, der Muttergöttin aus der germanischen Mythologie, abstammt. Die Germanen brachten der Göttin unter dem Holunderbusch Dankesopfer in Form von Mehl oder Milch dar. Holda, im Märchen auch Frau Holle, war die Schutzpatronin für Menschen und Pflanzen, freundlich und milde, hilfsbereit, weise und dem Menschen sehr zugetan. Als Göttin des Hauses beschert sie dem Haushalt Fülle, und als himmlisches Wesen regiert sie die Jahreszeiten.
Es wäre passender, hätte die Pflanze einen weiblichen Artikel. Der Holunder ist eine weibliche Schutzpflanze, die bei den Kelten als Verkörperung der Erdmutter gesehen wurde, und die auch in anderen Kulturen immer weiblichen Gottheiten zugeordnet wird. Sie symbolisiert den Wechsel der Jahreszeiten und den Verlauf des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Im Winter wirkt sie in sich zusammengefallen und unscheinbar, die Äste sehen krumm und morsch aus, die Rinde ist hässlich. Im Frühjahr treibt sie als eine der ersten Pflanzen aus, zeigt die Schönheit ihrer weißen Blüten, die aus dem grünen Blättermeer herausleuchten. Im Sommer schließlich schenkt sie uns ihre schwarzen Früchte, bis die Pflanze wieder vergeht und sich in den Winter zurückzieht.
Unter dem Holunderbusch, der als Schwellenort gilt an dem eine Verbindung der Welten möglich ist, soll es Zugang zur Anderswelt geben, zu den guten Feen und listigen Kobolden. Auch das Märchen von Frau Holle erzählt von dieser Anderswelt und der Möglichkeit, zwischen den Welten zu wander. Wer unter einem Holler einschläft, läuft Gefahr in der Anderswelt aufzuwachen. Er lenkt auch beispielsweise die Aufmerksamkeit böser Geister auf sich, damit sie zu ihm wandern und an ihm entlang in die Unterwelt gleiten.